Mit Fuchs und Has abrocken

Wer Club hört, denkt an eine Party-Location im Grossstadt-Dschungel, wohl aber kaum an ein Ausgehlokal in der Provinz. Bad Bonn bei Düdingen ist die Ausnahme. Morgen beginnt dort die Rock-Kilbi 03.

Nick Luethi

«Where the hell is Bad Bonn?» Die Frage scheint durchaus berechtigt. Bad Bonn - eine Heilquelle nahe der einstigen Hauptstadt der BRD? Oder englisch ausgesprochen: Eine unbekannte Coverband? Weit gefehlt. Bad Bonn ist ein etwas ungewöhnlicher Club in der deutschfreiburger Pampa. Knapp dreissig Kilometer westlich von Bern, unweit von Düdingen an den Gestaden des Schiffenensee gelegen. Wer sich zu nächtlicher Stunde dem Ort nähert, wähnt sich alsbald in einem Film von David Lynch, «Lost Highway» zum Beispiel. Autobahnausfahrt, Industriegebiet, und dann wirds immer dunkler.

Bis plötzlich irgendwo in der Ferne eine Leuchtschrift auftaucht und dem, der glaubt, er habe sich verirrt, den Weg weist. Betritt man das Lokal, wähnt man sich alsbald in einem Club, der ebensogut in Berlin, Helsinki oder New York stehen könnte. Kein Provinzmief, sondern urbanes Sehen-und-Gesehenwerden. «Where the hell is Bad Bonn?» Die rhetorische Frage ist heute Koketterie und Markenzeichen zugleich.

Vom Pub zum Club

Vor zwölf Jahren haben Daniel Fontana und Georges Gobet 1991 die vormalige Landkneipe Bad Bonn gepachtet. Mit dem Gastgewerbe waren die beiden bereits vertraut, da sie in den Jahren zuvor gemeinsam ein Pub geführt hatten. Musik gabs dort nur ab Konserve. Im Bad Bonn sollte sich das ändern. Von Beginn an organisierte Daniel Fontana Konzerte. Heute ist der Club für den 37 jährigen Familienvater Broterwerb, Hobby und Leidenschaft zugleich.

Anfänglich standen lokale Bands auf der kleinen Bühne, vom Stil her war harte Kost angesagt. Rock und Heavy Metal, Musik, die auch Fontana mochte - und immer noch mag. Inzwischen klicken und wummern regelmässig elektronische Sounds und Beats im Bad Bonn. «Bei elektronischer Musik ist die Ausstrahlung des Veranstaltungsorts oft wichtiger, als der Name des DJs», sagt Konzertveranstalter Fontana. Die lauschige Atmosphäre im Bad Bonn entschädigt für die fehlende Möglichkeit des Club-Hopping. Längst gibt es ein Stammpublikum, das mehrheitlich aus Freiburg und Bern, aber auch aus weiter entfernten Städten nach Düdingen pilgert.

Highlight Kilbi

Einen repräsentativen Querschnitt durch Fontanas aktuelle musikalische Vorliebe liefert die Bad Bonn Kilbi, die jeweils im Sommer über die Bühne geht. Für das Programm des Festivals, wie auch für alle anderen Veranstaltungen, ist Daniel Fontana alleine verantwortlich. Kein Kollektiv, keine Gruppe, die in stundenlangen Diskussionen die Balance zwischen individuellen Präferenzen finden muss. Einzig die Finanzen sind ein Kriterium, ob ein Act gebucht werden kann oder nicht.

Wie ist denn das Programm der diesjährigen Kilbi zustande gekommen? Fontana: «Ein paar Umwege auf dem Nachhauseweg, dazu Musik hören und mich inspirieren lassen. » Neben den Eingebungen auf der Fahrt von Düdingen nach Bösingen sind es vor allem die langjährigen Kontakte zu Bands und Agenturen, die darüber entscheiden, wer kommt und wer nicht. Eine ganze Reihe Artisten, die bei der diesjährigen Kilbi auftreten, sind nicht zum ersten Mal im Bad Bonn zu Gast. Und das mit gutem Grund: Nicht hohe Gagen, sondern der persönliche Touch lässt manche Bands nach Düdingen zurückkehren.

Dälek etwa, eines der progressivsten Hip-Hop Projekte dieser Tage, war bereits vor zwei Jahren Kilbi-Gast. Nun wäre Daniel Fontana nicht Daniel Fontana, wenn er nicht noch eins drauf geben würde. Ein zweiter Auftritt alleine tuts nicht. Deshalb treten am Freitag abend Dälek gemeinsam mit der 1968 gegründeten deutschen Krautrock-Legende Faust auf, die seit den 90-er Jahren nur noch sporadisch auf Tournee ist. Beim gemeinsamen Auftritt dürften sich die beiden für ihre Experimentierfreudigkeit bekannten Formationen zu Höchstleistungen anstacheln.

Legenden und Pioniere

Eine Legende pro Abend reicht offenbar nicht: Mit Ministry konnte Fontana eine Band verpflichten, die zurecht als Pioniere der als «Industrial» bekannten Gangart der Rock-Musik gelten. Nach einer turbulenten, von Drogenexzessen des Frontmanns geprägten Zeit sind Ministry mit ihrer aktuellen Veröffentlichung «Animositisomnia» zu neuer Hochform aufgelaufen. Vor lauter Power hat die Band damit gedroht, auf jedem Festival in Europa aufzutreten, bis sie den Fans zum Hals raus hängen. Soweit wird es in der Schweiz nicht kommen. Denn der Auftritt von Ministry im Bad Bonn ist der einzige hierzulande.

Kein Wunder machen sogar internationale Musikzeitschriften wie The Wire oder Spex auf die Kilbi aufmerksam. Publikum bringt das zwar nicht, aber ein gutes Gefühl. Trotz dem Stolz auf das Erreichte, bleibt Fontana realistisch: «Wir stossen an Grenzen. » Faust, Dälek und Ministry am selben Abend sind für die Organisatoren eine Herausforderung, die schnell zur Überforderung werden könnte.

Verglichen mit anderen Festivals geht es an der Bad Bonn Kilbi familiär zu und her. Das Gros der Helfer sind Freiwillige, die aus der Region zusammengetrommelt werden. Auf martialische Security wird bewusst verzichtet, die intime Stimmung soll durch nichts beeinträchtigt werden.

BZ-Kultur, 11. Juni 2003